„Jährlich verenden in Österreich Tausende Stück Weidevieh. Von Autos überfahren, vom Blitz erschlagen, von Krankheiten dahingerafft. Doch seit sich der Wolf etwa ein Dutzend geholt hat, will sich die Aufregung gar nicht mehr legen“. Dieser Absatz aus den Salzburger Nachrichten (2018) [1] trifft die Situation in Österreich prägnant.
Die Hetze gegen Wölfe ging im politischen Österreich im Jahr 2020 verstärkt weiter. Mit immer neuen Petitionen versuchen konservative Nationalratsabgeordnete mittels unterschiedlicher Methoden letztlich ein „wolfsfreies Österreich“ zu erreichen – dies ungeachtet des rechtlichen Schutzes, der für Wölfe europaweit gilt.
Eine repräsentative Umfrage des market instituts (2019) [2] ergab in der österreichischen Bevölkerung eine Zustimmung von 69 % zur Rückkehr des Wolfes. 79 Prozent der Befragten – also auch Personen, die einer Wolfsbesiedelung nicht so positiv gegenüber stehen – gaben an, dass ein friedliches Zusammenleben mit dem Wolf grundsätzlich möglich ist und 83 % gestanden zu, dass der Wolf in der Natur nützlich ist (siehe auch Salzburger Nachrichten 2019 [3] oder ORF 2019 [4]).
Um ihr Ziel „Tötung der Wölfe“ zu erreichen, wird in den Petitionen sowie in initiierten Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, im Internet etc. auf Desinformation der Bevölkerung gesetzt: Der Wolf sei nicht gefährdet, er befände sich in günstigem Erhaltungszustand und könne daher getötet werden, die Menschen trauten sich nicht mehr aus dem Haus, es werde die österreichische Landschaft verwildern, da keine Weidewirtschaft möglich sei, wenn der Wolf zurückkehrt etc.
Ein wesentlicher Punkt bei allen Petitionen, ganz gleich, ob sie offen eine „Distanzierung vom Herdenschutz“ verlangen (Gahr 2018) [5] oder es hinter „Erhaltung der traditionellen Weide- und Almwirtschaft“ verstecken (Kühberger 2020 [6] und Zopf et al. 2020 [7]): Die Petenten wollen einen wirksamen Herdenschutz, der europaweit ein erfolgreiches Miteinander von Wolf und Weidewirtschaft sicherstellt, unbedingt verhindern, denn können sie nicht auf Risse verweisen, geht ihnen das Feindbild verloren und wie könnte man dann verlangen, den Wolf zu töten?
Im Auftrag der Oö. Umweltanwaltschaft hat Protect zwei Studien erstellt:
Die Fakten zeigen, dass Wölfe in den meisten Gebieten Europas noch immer gefährdet sind und 2016 sogar eine der zehn europäischen Wolfspopulationen ausgestorben ist.
In Österreich besteht die „Wolfspopulation“ gerade einmal aus drei Wolfsfamilien, von denen lediglich eine im Jahr 2020 Nachwuchs hatte.
Die Besiedelungsdichte in Österreich ist mit 0,39 Wölfen pro 1.000 km² lächerlich gering. Im Nachbarland Slowakei ist die Wolfsdichte 24 mal höher, in Rumänien 30 mal und in Lettland sogar 46 mal höher als in Österreich.
Dennoch gibt es dort eine funktionierende Alm- und Weidewirtschaft, kein Mensch wird von Wölfen angegriffen und kein Kind auf dem Schulweg von Wölfen verschleppt.
In EU-Staaten, in denen Wölfe, Bären und Luchse in großer Zahl vorkommen, sind geführte Beobachtungen dieser Tiere ein touristisches Highlight: Wolf, Bear und /oder Lynx watching werden z.B. in Spanien, Frankreich, Rumänien, Polen, Slowenien, Finnland, Schweden und Estland angeboten.
Und allen Horrorschilderungen der konservativen Politiker zum Trotz: Unbeirrt stürzen sich Herr und Frau ÖsterreicherIn Jahr für Jahr todesmutig in ihr beliebtestes Urlaubsland, Italien, und kehren – obwohl dort über 2.000 Wölfe leben – wohlbehalten wieder zurück.
Auch wenn diese PolitikerInnen noch so häufig das Mantra „Wölfe schaffen Räume der Angst“ rezitieren und behaupten, die Menschen in Österreich würden sich nicht mehr in die Natur und schon gar nicht in den Wald trauen (Diesner-Wais 2018 [8], Zopf et al. 2020, Hechenberger et al. 2020 [9]), sieht die Realität gänzlich anders aus: „Zu viele Wanderer schrecken Wild auf“ (ORF 2021) [10].
[1] Salzburger Nachrichten (2018): Artikel „Auf den Wolf zu schießen bringt niemandem etwas“, 16. Mai 2018 (online), 2 pp.
[2] market institut (2019): Umfrage „Der Wolf in Österreich“.
[3] Salzburger Nachrichten (2019): Artikel „Zwei Drittel der Österreicher sehen Wolfs-Rückkehr positiv“, 19. Juli 2019 (online), 3 pp.
[4] ORF, orf.at (2019): Artikel „Mehrheit der Österreicher sieht Rückkehr des Wolfes positiv“, 19. Juli 2019, 2 pp.
[5] GAHR, H. (2018): „Petition für ein wolfsfreies Tirol“, 10. September 2018, registriert als 7/PET vom 18. September 2018, 2 pp. + Anschreiben (1 p.).
[6] KÜHBERGER, A. (2020) Petition „Steirische Almen erhalten und schützen“, 25. Juni 2020, registriert als 25/PET vom 25. Juni 2020, 2 pp. + Anschreiben (1 p.).
[7] ZOPF, B., PRINZ, N. & SINGER, J. (2020): Petition „Für ein erfolgreiches Wolfsmanagement in Oberösterreich“, registriert als 28/PET vom 10. Juli 2020, 1 p. + Anschreiben (1 p.).
[8] DIESNER-WAIS, M. (2018): Petition „Wolf-Ausnahmeregelung gemäß ‚Fauna Flora Habitat – Artikel 16 b und c‘“, registriert als 5/PET vom 22. August 2018, 3 pp. + Anschreiben (1 p.)
[9] HECHENBERGER, J., PFURTSCHELLER, E. & GAHR, H. (2020): Petition „Schutz der Bevölkerung, der Land- und Almwirtschaft, des Tourismus und des ländlichen Raumes vor großen Beutegreifern“, 17. Juni 2020, registriert als 21/PET vom 17. Juni 2020, 2 pp. + Anschreiben (1 p.).
[10] ORF, orf.at (2021): Artikel „Zu viele Wanderer schrecken Wild auf“, 29. Januar 2021, 2 pp.